Quantcast
Channel: Chinoiserie – Mind the gap(s)
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3

Bildkarrieren: Panurge auf der Laterneninsel

$
0
0

Am 27. Januar 1829 hatte im K. K. Hoftheater nächst dem Kärntnerthore das komische Ballett Panurge auf der Laterneninsel Premiere. Die Choreographie sammte von Astolfi, die Musik „von verschiedenen Meistern“ [1],  wie der Kritiker der Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode  bemerkte. Der Kritiker fand den Inhalt dürftig, war aber von diesem „Divertissements“ doch sehr angetan, vor allem  von den Tänzerinnen und Tänzern und vom Szenenbild.

Der Kritiker der Wiener Theaterzeitung lobte zwar die Leistungen der Tänzerinnen und Tänzer, war von  den exotischen Ideen in Astolfis Ballett wenig begeistert:

Wir machten Hrn. Astolfi bereits bey seinem Ballete („Mathilde“) das wir in diesen Blättern ausführlich besprochen haben auufmerksam, daß eine gewisse Fremdartigkeit des Geschmackes seinem sonst schätzenswerthen Kunstwerk einigen Abbruch thue.[2]

Trotzdem meint er abschließend:

Eben so verdienen die glänzenden Decorationen lautes und ungetheiltes Lob.[3]

Einen Eindruck vom Szenenbild vermittelt vermittelt der Stich „Der als Pagode verkleidete Panurge bewegt sich plötzlich unter den Verehrern seines Tempels“, der in der der Gallerie interessanter und drolliger Scenen  erschien[4]

erome Robbins Dance Division, The New York Public Library. "Panurge auf der Laternen Insel: Ballet von Astolfi" The New York Public Library Digital Collections. 1829.
Jerome Robbins Dance Division, The New York Public Library. „Panurge auf der Laternen Insel: Ballet von Astolfi“ (1829). The New York Public Library Digital Collections, Image ID 5052985 NYPL catalog ID (B-number) : b12152247

Der „als Pagode verkleidete Panurge“ (die Figur im blauen Mantel im Bild vorne liks) erinnert an die Darstellung des Kaisers von China in der Karikatur The Reception of the Diplomatique & his Suite at the Court of Pekin (1792) von James Gillray (1756-1815). Der ‚chinesische‘ Tempel hat wenig ‚Chinesisches‘ an sich – abgesehen von den (fiktiven) Schriftzeichen.[5]

Fünfundvierzig Jahre davor – 1785 – war Panurge dans l’ile des lanterns der Titel einer Oper von André-Ernest-Modeste Grétry zum Libretto von E. Morel de Chédeville[6], die auf Motive aus Rabelais‘ Romanzyklus La vie de Gargantua et de Pantagruel zurückgriff.
Angeregt durch den Erfolg der Oper (und die Vorliebe für orientalische/chinesische Motive) entstanden in den 1780ern  Toile de Jouy-Panele Panurge dans l’île des lanternes, die die Firma Petitpierre in Nantes herstellte: In roter Farbe auf Weiß gedruckt fanden sich Motive, die an Beschreibungen und Abbildungen in der  Description géographique, historique, chronologique, politique et physique de l’empire de la Chine et de la Tartarie chinoise (1735)[7] von Jean-Baptiste Du Halde (1674-1743) angelehnt waren.[8]

Die Panele (bzw. Teile davon) finden sich in mehreren Sammlungen, Abbildungen unter anderem: Cooper Hewitt | Smithsonian Design Museum, Philadelphia Museum of Art, Metropolitan Museum, Rhode Island School of Design | RISD Museum, Art Institute of Chicago., Victoria & Albert Museum.

  1. Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode  Nr. 16 (5.2.1829) 127-128, Online: ANNO.
  2. Wiener Theaterzeitung Nr. 19 (12.2.1829) 74 – Online. ANNO.
  3. Wiener Theaterzeitung Nr. 19 (12.2.1829) 75 – Online. ANNO.
  4. Die Gallerie interessanter und drolliger Scenen, dargestellt auf den Wiener Bühnen erschien als Beilage zu Alfred Bäuerles Wiener Theaterzeitung. Die Bilder wurden von Johann Christian Schoeller als Aquarelle ausgeführt, die danach angefertigten Kupferstiche wurden koloriert.
  5. Das Gebäude erinnert an die Garten-Pavillons in Halfpennys  The country gentleman’s pocket companion, and builder’s assistant, for rural decorative architecture : containing, thirty-two new designs, plans and elevations of alcoves, floats, temples, summer-houses, lodges, huts, grotto’s, &c. in the Augustine, Gothick and Chinese taste […] (London 1753).
  6. Textbuch der Uraufführung: Panurge dans l’isle des lanternes. Comédie lyrique en trois actes. Par Étienne Morel de Chedeville. La Musique est de Grétry. (Paris: Marchands de Nouveautés 1785). – Digitalisat: BSB. Partitur: André-Ernest-Modeste Grétry (Musik)/E. Morel de Chédeville (Libretto): Panurge dans l’îsle des lanternes. Opéra, 3 acts (Paris: Houbart et Huguet, ohne Datum). – Digitalisat: Internet Archive | UNT Digital Library.
  7. Jean-Baptiste Du Halde: Description géographique, historique, chronologique, politique et physique de l’empire de la Chine et de la Tartarie chinoise (Paris: P.G. Lemercier 1735). Digitialisate (auch von Ausgaben in anderen Sprachen) → Bibliotheca Sinica 2.0.
  8. S. auch Dilys E. Blum, from The Fine Art of Textiles: The Collections of the Philadelphia Museum of Art (1997). 42. Eine Beschreibung des Bildprogramms bringt Mrs. Cornelius Stevenson: „A Specimen of Toile de Jouy“. In: Bulletin of the Pennsylvania Museum Vol. 17, No. 66 (Oct., 1920), 16-17. Stable URL: http://www.jstor.org/stable/3793978.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 3

Latest Images

Trending Articles